Die Kirche St. Laurentius in Lorenzkirch – ein virtueller 3D-Rundgang in einer Dorfkirche
Kommt man aus Richtung Dresden mit dem Fahrrad auf dem Elberadweg lichtet sich hinter Diesbar-Seußlitz das Elbtal. Und das ursprüngliche Elbtal verbreitert sich nach den Weinhängen von Proschwitz und Zadel. In mehreren Windungen schlängelt sich der Elbstrom jetzt in Richtung Mühlberg und Torgau. Lorenzkirch ist ein idyllischer Ort direkt an der Elbe. Gegenüber liegt Strehla. Seit Jahrhunderten gab es hier eine Furt und ließ das Elbdörfchen zu einigem Wohlstand kommen. Auch die verheerenden Hochwasser hielten die Menschen nicht davon ab, hier sesshaft zu bleiben.
Zeugnis dieser Beharrlichkeit ist auch die Kirche St. Laurentius. Geht man in die Kirche hinein, dann liegt der Fußboden aus altem Sandstein über einen Meter tiefer als der umgebende Friedhof. Wie viele Fischer, Treidler, Bauern, einfache Leute und Gutsbesitzer wurden hier getauft und bestattet? Wie oft stand das Hochwasser schon zwischen den Kirchenbänken? Immer wieder fanden sich Menschen, die dieses ehrwürdige Gebäude zur Ehre Gottes aufgebaut und erhalten haben.
Lorenzkirch ist auch ein Ort der Begegnung. Im April 1945 trafen zuerst sowjetische und amerikanische Soldaten aufeinander. Der furchtbarste Krieg des letzten Jahrhunderts lag in seinen letzten Zügen und hier wurde eine Hoffnung auf Frieden und Freiheit geboren.
Eine ganz andere Begegnung, sehr viel unspektakulärer, ereignete sich erst vor wenigen Jahren: Mit dem Fahrrad kommend, war 2003 Frau Ruth G. aus Hamburg unterwegs. Aus ihren Erzählungen wissen wir, dass sie in Lorenzkirch Station machte und sich in den Ort verliebte. Sie schreibt:
"In Lorenzkirch, dem nächsten Dorf, steht sogar ein Tisch mit Bänken in der wärmenden Sonne. Hier, an einem der vielen Apfelbäume, frische ich meinen Obstvorrat auf, wie schon viele Male zuvor unter all den Bäumen, die keiner aberntet, nach dem vielen Fallobst zu schließen. Und wo sollte ich auch einkaufen können? In Mühlberg war der einzige einschlägige Laden noch zu, und so halte ich mich eben wieder einmal an das Buch der Bücher „...und unser himmlischer Vater nähret sie doch.” Gleich daneben die Kirche, Rad und Gepäck kann ich hier beruhigt allein lassen, von Radlern oder anderen Leuten keine Spur. Nur an der Kirche wird gearbeitet, auf dem Gerüst wird gesägt und gebohrt, kein Radiogeplärr, die Arbeit erscheint mir wie eine stille Andacht, voller Ehrfurcht vor dem, was man hier schafft. Am Eingang mit der weit geöffneten Tür ein Anschlag der Deutschen Stiftung Denkmalschutz „Damit Vergangenheit eine Zukunft hat”. Im Vorraum baumelt ein Seil von der Decke, um die Glocke zu schwingen. Steine und Säcke mit Zement liegen gestapelt, eine Schubkarre daneben, auf den hinteren Bänken im dicken Baustaub liegen die Rucksäcke der Zimmerleute. Die Emporen sind abgestützt, die Orgel hinter einer dicken Folie vor Schmutz und Staub geschützt. Auf dem kargen Altar bannt das fein ziselierte schmiedeeiserne Kreuz mit der Christusfigur aus schwarzem Granit. Sie hat nur noch eine Hand, die zweite ist abgebrochen. Da alle Fenster bis auf das eine winzige hinter dem Kreuz noch mit Brettern vernagelt sind, ist diese in so mattem Licht stehende Begegnung wie eine Segnung des Allerhöchsten - und nur für mich, für meinen alleinigen Weg mit dem Rad. „Er erquicket meine Seele”, so hautnah war mir mein 23. Psalm noch nie. Selbst die stille Arbeit mit ihrem ernsthaften und fleißigen Sägen und Hämmern da draußen stört nicht, eher vertieft sie das Geschehen noch. Durch die Decke über mir im Chorraum geht ein tiefer Riß bis fast zum Boden. An manchen Stellen sind Fresko-Fragmente noch zu erahnen, ebenso die Bemalungen der Holzdecke im Kirchenschiff. Ob ich wohl nochmal hierher zurückkommen werde? Wenn alles fertig ist? Wohl kaum. Obwohl ich bisher noch auf keine Tour wirklich zufrieden zurückgeblickt habe - es blieben stets viel zu viele Wünsche offen, die ich mir - wann? - noch erfüllen will. Denn diese immerwährenden Entscheidungen gegenüber dem, was ebenfalls möglich wäre, wecken ja zugleich stets neues Verlangen auf neues Erleben. Ich sollte immun dagegen werden. Oder sind es vielleicht gerade die Sehn-süchte, die einen lebendig erhalten?"
Diese Begegnung mit dem Ort und der Kirche in Lorenzkirch erzählte Frau Ruth G., Jahrgang 1936 die jetzt in einem Pflegeheim in Hamburg lebt, immer wieder ihrer Freundin, Frau Ilona Haas. Gern wollte Sie diesen Ort noch mal besuchen, was aber auf Grund der altersbedingten Einschränkungen nicht möglich ist. "Dann bringe ich die Kirche zu dir …" entgegnete ihre Frau Haas - Mit diesen Worten war eine Projektidee entstanden. Ilona Haas nahm Kontakt mit der Kirchgemeinde Zeithain und bot an, mit ihrer professionellen 3D-Kamera die Kirche zu digitalisieren. Das fertige Projekt, ein digitaler Rundgang durch und um die Kirche St. Laurentius stellte sie nicht nur in Hamburg ihrer älteren Freundin vor.
Sie können die digitale Führung in einem fotorealistischen 3D-Modell auch auf der offiziellen Website der Kirchgemeinde Zeithain erleben, die einen detaillierten Einblick in die Architektur und die reiche Geschichte der Kirche bietet. Die interaktive Tour ermöglicht es Ihnen, durch die Kirche zu navigieren, als wären Sie persönlich dort, und alle Aspekte des sakralen Raumes zu entdecken, von der Kanzel bis zur Orgelempore. Ergänzt wird die Präsentation durch Orgelaufnahmen an der Jehmlich-Orgel von 1859. Eingespielt im Mai 2024 vom Organisten Jürgen Rieger aus Stuttgart.