Eine große Menge, so haben wir gehört, war zum Passahfest in die Stadt Jerusalem gekommen. Die Menschen wollten den Wanderprediger Jesus von Nazareth als neuen König willkommen heißen. Dazu hatten sie Palmzweige mitgenommen. Jeder damals verstand diese Geste: Palmwedel schwenkten Menschen zur Begrüßung eines siegreichen Herrschers.
Andere waren gekommen, weil sie kurz zuvor erlebt hatten, wie heilsam Jesu Nähe und Klarheit war. Trauer und Tod hatte er in die Schranken verwiesen, Lazarus auferweckt, so hatten sie erfahren oder gehört. Mit ihm wäre sicher gut Staat zu machen, so ihre sehnsüchtigen Motive für ihren Willkommensgruß.
Jesus selbst unterstützte manche dieser Hoffnungen. Er wählte sich einen Esel als Reittier – einen Gefährten des Menschen, der beim Lasten schleppen half.
Eine komische Wahl für einen König, dachten seine Jünger noch. Und doch hätten sie wissen können, dass Jesu damit seinen Anspruch, seine Entscheidung ausdrücken wollte: an der Seite derer zu sein, die mühselig und beladen sind, ihnen Lasten abzunehmen. Er wollte keine Länder erobern sondern Herzen. Er wollte nicht herrschen, sondern dienen. Ein Friedenskönig wollte er sein, der den Weg zum Frieden weisen kann.
Wenn wir nun noch ein weiteres Mal auf diesen Einzug schauen, entdecken wir: Es standen auch noch andere dabei, die das Verhalten der jubelnden Menschen als „Hinterherlaufen“ beurteilt haben.
Ja, und damit sollten sie sogar Recht behalten. Denn als es darauf ankam, jubelte keiner mehr. Wer als Held begrüßt wird läuft zugleich Gefahr, morgen gekreuzigt zu werden. Besonders, wenn er die an ihn herangetragenen Erwartungen nicht erfüllt.
Erwartungen machen uns oft blind für den Augenblick.
„Das Leben kann rückwärts verstanden, muss aber vorwärts gelebt werden.“ hat der dänische Religionsphilosoph Sören Kirkegaard diese vielfache Erfahrung der Blindheit im Augenblick herausfordernder Ereignisse und Entscheidungen einmal auf den Punkt gebracht.
Das beschreibt auch unsere aktuelle Lebenssituation. Wir werden die gegenwärtige grassierende Corona-Infektion erst im Nachhinein verstehen können. Gleichzeitig müssen wir jetzt aber Entscheidungen treffen, deren Tragweite wir nicht vollständig abschätzen können.
Dabei kommen wir zu unterschiedlichen Einschätzungen. Für manches sind wir auch blind. Unrealistische Erwartungen an Unfehlbarkeit von Menschen, die entscheiden und handeln sind aber völlig fehl am Platz. Denn dieses Virus zeigt uns, wie sehr es auf jeden von uns ankommt.
Der Maßstab allen Tuns sollte doch sein: dass so viel Leben wir möglich gerettet wird. Deshalb wird mit Hochdruck an einem Impfstoff geforscht. Deshalb schränken wir unsere sozialen Kontakte ein. Das deckt sich für mich mit meinen christlichen Werten. Der kranke, dringend hilfsbedürftige Nächste könnte mein geliebter Freund sein oder ein naher Verwandter.
In all dem zeichnet sich jetzt schon ab: Über die unmittelbare Bedrohung hinaus brauchen wir diesen Perspektivwechsel hin zum Nächsten dringend auch nach Corona und möglichst weltweit.
In den Herausforderungen unserer Zeit hören wir heute: Mitten im Trubel ritt Jesus auf einem Esel in die alte Königsstadt Jerusalem ein und seiner Hinrichtung entgegen. Mit Gott und den Menschen verbunden hat er heilsam gelebt und der Liebe Raum gegeben.
Das befreite ihn nicht von Leiden und Tod, führt ihn aber ins Leben. - Und was trägt uns heute? Ist es nicht eben dasselbe? Eines können wir wissen: Leid und Tod haben nicht das letzte Wort. Von Ostern her sieht alles anders aus.
Wir falten unsere Hände und halten dir unsere Herzen hin, Jesus Christus. / Wir wollen dir entgegengehen, mit dir laufen
und einziehen in deine Stadt.
Das sind unsere Bitten auf dem Weg mit dir: wir beten
für die Kranken,
für alle, denen keine Medizin mehr helfen kann,
für jene, die einsam sterben,
für alle, die unter der Last dieser Tage zusammenbrechen.
Komm zu ihnen mit deiner Liebe und heile sie.
Wir beten für die Menschen,
die in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten,
bei der Polizei, in Feuerwachen und Apotheken,
in Betreuungseinrichtungen und Supermärkten,
in Laboren und in der Vieh- und Feldwirtschaft,
sowie in Regierungen, Ämtern und Kommunen.
Komm zu ihnen mit deiner Freundlichkeit und behüte sie.
Wir beten für die Menschen,
die in der Sorge dieser Tage in Vergessenheit geraten und denken besonders an Flüchtlinge,
an Opfer von häuslicher Gewalt,
an verwirrte und missbrauchte, hungernde und einsame Menschen. Komm zu ihnen und rette sie.
Befreie uns von der Faszination der großen Auftritte und schenke uns Geduld ein Stück mit jenen zu gehen, die mit uns unterwegs sind.
Wir halten dir unsere Herzen hin und danken dir
für alle Zeichen von Liebe und Verbundenheit,
für freundliche Worte und aufmerksame Taten,
für Musik, Spiel, Lachen und Geborgenheit.
Du gehst mit uns durch diese Zeit
Heute, in diesen Tagen der Passion,
und jeden neuen Tag.
Mit deinen Worten bitten wir:
(Vater unser im Himmel …)
Amen.
Predigt – Sonntag Palmarum 05. April - zu Johannes 12, 12-19
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- Kategorie: Ev.-Luth. Kirchgemeinde Zeithain
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