von Pfrn. Grit Skriewe-Schellenberg


Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindemitglieder,

Die Liebe Gottes und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei und bleibe mit uns allen. Amen.

Ich bin gern zu Hause. Weil ich in der Regel viel unterwegs bin. Aber jetzt, wo ich mehr als sonst zu Hause bin, zieht es mich nach draußen.

„Ich mach mir einen Plan, was ich heute mache. Und dann mache ich mir noch einen Plan, was ich mache, wenn ich wieder alles machen darf.“, sagte meine Tochter heute zu mir.
Ja, verzichten ist gegenwärtig angesagt. Es ist ein umfangreicheres Verzichten als wir es uns in der vorösterlichen Fastenzeit jemals selbst auferlegt hätten:
Verzichten auf persönliche Kontakte. Verzichten auf Shoppen, Kino, Gottesdienst, auf ein Frühjahrspicknick mit Freunden auf den Elbwiesen (zum Glück macht uns da gegenwärtig noch das Wetter einen Strich durch Rechnung).
Verzichten auf den Kaffeeklatsch mit Kollegen im Gang der Firma, auf den Schwimmbadbesuch, den Samstagnachmittagskuchen bei Oma und die Fahrgemeinschaft der Kinder am Morgen.

Verzichten auf Reisen, das Chorsingen in der Gemeinde und die Skatrunde im Seniorenclub. Was sich bei manchen auf Gewohnheiten und Strukturen bezieht, ist für andere grundlegender. Dort geht es nicht mehr nur ums freiwillige Verzichten, sondern um Entscheidungen von existenzieller Tragweite: Wenn der eigene Laden geschlossen bleiben muss, wenn die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden müssen, wenn man aus Kostengründen alle Fahrzeuge des Fuhrparkes abmelden muss, wenn die Verbindlichkeiten die Rücklagen so abschmelzen, dass man Angst bekommt.

Ja, für manche unter uns ist besonders spürbar, dass wir hier „keine bleibende Stadt haben“, wie es der Hebräerbrief für diesen Sonntag ausführt; das heißt, dass wir uns nur bedingt absichern können, niemals aber ganz.
„Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebräer 13,12-14)

Hin und her, drinnen und draußen - ebenso bewegt wie den Text erlebe ich unsere Gegenwart. Ich höre deutlich den Impuls, Anteil zu nehmen am Schicksal dessen, der da leidet. Für mich heißt das: in unseren Tagen da zu sein für jene, die unverschuldet in Not geraten sind. Damit meine ich nicht nur die „Rettungsschirme“ und „unbürokratischen Hilfen“, die politisch aufgespannt und kommunal ausgezahlt werden. Gut, dass wir uns das so leisten können. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dass wir einander tragen. Sondern ich denke an jene, die unter uns gerade ganz praktisch zeigen wie das aussehen kann. Ich denke an grundständige Berufsgruppen, die nicht zu den bestbezahlten gehören, aber jetzt den Alltag wirklich absichern. Sie tragen ein enormes gesundheitliches Risiko. Vielleicht bringt die gegenwärtige epidemische Herausforderung an dieser Stelle ein Umdenken, das lauten könnte: Lasst uns alles dafür tun, damit diese Berufsgruppen endlich mehr Anerkennung bekommen und auch besser bezahlt werden. Ich denke aber auch an Nachbarschaftshilfen, an Menschen, die einander zuhören und sich gegenseitig stärken, unterstützen und einander helfen.

Ich weiß, dass es da noch Luft nach oben gibt und lade auch jene zum Umschichten der eigenen Ressourcen ein, die gegenwärtig täglich bis vier Uhr morgens vorm Rechner sitzen und spielen. Ab Montag gibt es übrigens ein ehrenamtlich getragenes Corona-Seelsorgetelefon. Unter der Nummer 0 351 – 89 69 28 90 haben sich Berater, Seelsorger und Psychologen zusammengetan und haben wochentags zwischen 9 und 18 Uhr für jeden, der in Not ist, ein offenes Ohr. Das bringen sie ein in die Gesellschaft. Damit gehen sie „hinaus“ und verlassen ihren „geschützten Ort“. Sie müssen sich nicht in fremde Schicksale einfühlen, aber wollen es freiwillig tun. Denn keiner soll sich allein gelassen fühlen oder einsam bleiben.

Ich bin mir sicher, dass wir mit der gegenwärtigen Zuwendung in unserer Gesellschaft etwas Gutes für die Zukunft vorbereiten können. „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Die Erfahrungen von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit in der Krise können wir als starke, tragfähige Erfahrung mit in die Zukunft nehmen. Damit viele hier gern leben.

Mit herzlichen Grüßen und Wünschen für eine gute Woche.


Gebet

Herr unser Gott, grenzenlos ist deine Liebe. Bedrückend unsere Angst.

Quelle der Liebe. Verteidigung in der Angst. Du bist da.

Um deine grenzenlose Liebe, Gott,
bitten wir für die Infizierten,
die Kranken, die Sterbenden.
Wir denken an die, die uns nahestehen.

Quelle der Liebe. Verteidigung in der Angst. Du bist da.

Wir denken an die Betroffenen in Italien, in Spanien, in aller Welt.
Wir bitten dich um deine grenzenlose Liebe, Gott,
für die, die kein schützendes Obdach haben,
für die, die zwischen den Grenzzäunen gefangen sind,
für die, die zwischen Trümmern ausharren.
Wir denken an die Obdachlosen in unseren Städten.
Wir denken an die Flüchtlinge auf Lesbos,
an die in Transiträumen Gestrandeten,
an die Menschen in Syrien.

Quelle der Liebe. Verteidigung in der Angst. Du bist da.

Wir bitten dich um deine grenzenlose Liebe, Gott
für alle, die pflegen,
für alle, die sich in Gefahr begeben,
für alle, die forschen und sich nicht schonen.
Wir denken an alle, die in den Krankenhäusern für die Kranken da sind.
Wir denken an alle, die uns mit Lebensmitteln und allem, was wir brauchen, versorgen.
Wir denken an die politisch Verantwortlichen.
Wir denken an die Wissenschaftlerinnen und Forscher in den Laboren.

Deine grenzenlos Liebe, Gott - wir brauchen sie,
alle, die eingeschlossen sind und in Quarantäne ausharren brauchen sie,
die von häuslicher Gewalt Bedrohten brauchen sie.
die Alleingelassenen brauchen sie,
die Verzweifelten brauchen sie.
Deine grenzenlose Liebe, Gott – sie hält uns, sie trägt uns.

Quelle der Liebe. Verteidigung in der Angst. Du bist da.

Bleib bei uns und deiner Gemeinde
heute und jeden neuen Tag.
Amen.