Bildhafte Poesie oder Gottesdienst mal anders. Der Anfang der Bibel stand an den Abenden der Bibelwoche in der Zeithainer Kirchgemeinde im Mittelpunkt. Zum Abschluss am 10. März in Röderau war die Schriftstellerin und Lyrikerin Ulrike Almut Sandig aus Berlin zu Gast. Ein Vortrag statt Predigt? Warum nicht, sagten sich die Verantwortlichen.
Geht es doch bei der biblischen Geschichte „Vom Turmbau zu Babel“ auch um die Sprache. Die Menschen bauten eine riesigen Turm, wollen sein wie Gott. Zu Ende kamen sie nicht, weil sie in verschiedenen Sprachen redeten und sich nicht mehr verstanden. Weil diese Erzählung genau in unsere Zeit passt, warum nicht einmal eine Expertin für Wort und Sprache zum Vortrag einladen?
Verwirrung und Klärung, Trennung und Versöhnung anhand einer poetischen Reise über die Erde. In Sprache, Gestik, Mimik und Ausdruck, wurden die Zuhörer von Ulrike Almut Sandig durch die Zeit und an Orte und Ereignisse geführt, die nur scheinbar verschwunden sind. Durch Wort und Sprache bleibt Vergangenheit in der Gegenwart.
„Noch duftet die Nelke, singt die Drossel, noch darfst du lieben, Worte verschenken, noch bist du da“ Von Rose Ausländer oder Grigory Semenchuk – Die von der Lyrikerin ausgewählten Gedichte verbanden Melancholie und Hoffnung. Jeder Mensch hat eine Lebensmitte, sucht nach Frieden mit sich und dem Gegenüber. Wir verstehen den anderen nur in der Übersetzung. Sprache trennt und vereint, spaltet und versöhnt. Die Splitter müssen nur zusammengesetzt werden: Aufhören zu zerbrechen und Zuhören um heil zu werden.
„ … ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt“ Das Gedicht von Ulrike Almut Sandig lässt Realität und Fantasie als zwei Seiten unseres Sein erscheinen. Ihre Lyrik wurde mehrfach, unter anderem 2021 mit dem Erich-Loest-Preis und 2023 mit dem Robert Gernhardt Preis ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Der Vortrag klingt nun wortwörtlich nach. Vor allem aber hinterlässt die Lyrikerin „Welten voller mythischer Bilder, die sich tief ins Bewusstsein eingraben“, wie Matthias Ehlers vom WDR schreibt.
(Michael Ahner)